Grabskizze vom Petriplatz

Projektziele

Die archäologischen Ausgrabungen und die sie begleitende Auswertung der Skelettserie vom Kirchhof der ehemaligen St. Petri-Kirche (Stadtbezirk Berlin-Mitte) sind auf die Rekonstruktion der mittelalterlichen Ursprungsbevölkerung Berlins ausgerichtet. Von dem Kirchhof wurden die Gebeine von fast 4000 Personen geborgen, darunter fast 300 Mehrfachbestattungen, die bis zu 12 Personen enthielten. Die Gräber datieren von der Gründung der mittelalterlichen Siedlung um etwa 1150 bis 1717, als der Kirchhof aus hygienischen Gründen geschlossen wurde.

Unsere interdisziplinäre Arbeitsgruppe hat sich zum Ziel gesetzt, Erkenntnisse zur mittelalterlichen Bevölkerungsentwicklung in Cölln zu gewinnen, sowie die chronologische Entwicklung der Belegung des Kirchhofs nachzuvollziehen. Durch die Kombination von archäologischen und forensisch-osteologischen Untersuchungen mit Laboranalysen (DNS-Untersuchung, Radiokarbondatierung, Strontium-Isotopenuntersuchung) werden ausgewählte Individualdaten erhoben und mit anderen Skelettserien, beispielsweise aus einer Grabung in London (Spitalfields) mit fast 11.000 Bestattungen detailliert verglichen. Die Grundvoraussetzung für genauere Aussagen zur demografischen Entwicklung der Bevölkerung sowie zu den Lebensbedingungen und Ernährungsgewohnheiten während der verschiedenen Zeitstufen ist die Erfassung des allgemeinen Gesundheitszustandes und des Zahnzustandes der Skelette.

Berlin und Cölln sind nach Auffassung der Historiker im 12./13. Jahrhundert beidseits der Spree als Marktsiedlungen entstanden und entwickelten sich schnell zu Städten. Grundlegende historische Fragen betreffen den Zeitpunkt des Siedlungsbeginns, die Herkunft der ersten Siedler sowie die möglichen Initiatoren des Ansiedlungsprozesses. Beide Orte haben wahrscheinlich etwa um 1230 unter den markgräflichen Brüdern Johann I. und Otto III. Stadtrechte erhalten. Die Erforschung der Schriftzeugnisse gilt unter Landeshistorikern als erschöpft, so dass eine weitere Klärung der offenen Fragen von der archäologischen Forschung erhofft wird. Hier spielen sowohl Unsicherheiten in der Datierung als auch Fragen zur Einwanderung eine wichtige Rolle.

Um die Projektziele erreichen zu können, arbeiten wir in verschiedenen Arbeitsschritten.

Bislang wurden 250 Skelett-Individuen von Spezialisten des Museum of London Archaeology (MoLA) untersucht. Gleichzeitig wurde der Gräberplan in ein Geografisches Informationssystem (GIS) überführt und die Bestattungen mit Sachinformationen verknüpft. Auf diese Weise lassen sich die archäologischen und anthropologischen Besonderheiten des Cöllner Begräbnisplatzes chronologisch auswerten.

Durch Bestimmung mittelalterlichen Genmaterials lassen sich Rückschlüsse auf Verwandtschaftsbeziehungen der Bevölkerung ziehen, die zum einen Erkenntnisse über die Bestattungspraxis erlauben, zum anderen Auskunft darüber geben könnten, ob die ersten Berliner miteinander verwandt waren. Hier kommt die neue Methode der Genetic History ins Spiel. Die Erkenntnisse aus den genetischen Untersuchungen sind in den größeren Zusammenhang der mittelalterlichen Ostsiedlung zu stellen, die u.a. mithilfe dieser Daten  genauer nachvollzogen werden kann.

Durch die Gewinnung von Isotopen-Strontium-Werten aus den menschlichen Gebeinen und auch aus tierischem Knochenmaterial sind Rückschlüsse auf die Herkunft der Individuen möglich. Die naturräumliche Herkunft eines Teils der ältesten Bestattungen wird mittels Isotopen-Untersuchungen bestimmt, die Datierung der Bestattungen erfolgte durch AMS-Analysen. Zukünftig werden auch Tierknochen auf ihre Isotopenzusammensetzung untersucht, um die lokale Berliner Strontium-Signatur zu identifizieren. Die Identifizierung der lokalen Cöllner Strontium-Signatur ist ein Meilenstein auf dem Weg zu Erforschung der Herkunft der ersten Berliner.

Der größte Gewinn des Projektes liegt in seiner interdisziplinären Herangehensweise, die die Chance auf wesentliche Erkenntnis-Fortschritte auf allen genannten Gebieten verspricht. Es gibt dafür einen steten und sehr offenen Austausch neu gewonnener Erkenntnisse sowie eine  Diskussion aufkommender Fragen und Probleme zwischen allen beteiligten Wissenschaftlerinnen. Außer dem ganz direkten Gewinn für die Geschichte der Stadt Berlin sind auch Ergebnisse zu erwarten, die allgemeinen Fragestellungen zum Ausgangspunkt werden.

Neben diesen vielen Anregungen und Neuerungen für die Forschung ergeben sich auch neue Ansatzpunkte für die Vermittlung von Kenntnissen über unsere Landesgeschichte. Das Wissen über die Entstehung der Stadt Berlin sowie der sie umgebenden Mark Brandenburg ist nur noch in geringem Maße vorhanden. Es besteht ein immenser Nachholbedarf bei einem Thema, das für die Identifikation mit der Stadt sehr wichtig ist und auch für aktuelle stadtplanerische Diskussionen nutzbar gemacht werden kann.

 

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