Ausgrabungen am Petriplatz
Ausgrabungen am Petriplatz
Holzfässer aus abgebranntem Keller
Wie hießen die alten Berliner?

Wann die erste St. Petri-Kirche gebaut wurde ist unbekannt. Es gibt keine Stiftungsurkunde. Die Kirche ist mindestens zweimal durch Großbrände zerstört worden. Dabei wurden wichtige Unterlagen vernichtet. Die früheste Erwähnung der Kirche findet sich in einer Urkunde vom 2. Januar 1285, in der festgehalten wurde, dass die Markgrafen Otto V. und Otto VI. von Brandenburg, der St. Petri-Kirche zwei Wispel Roggen stifteten. Aber schon im Jahr 1237 fungierte ein Symeon, Pfarrer von Cölln, als Zeuge in einem Rechtsstreit zwischen dem Bischof von Brandenburg und den dortigen Markgrafen. Wenn Symeon um 1237 Pfarrer in Cölln war, dürfte es die St. Petri-Kirche zu diesem Zeitpunkt bereits gegeben haben.

Der Kirchenbau vor 1237 (erste St. Petri-Kirche) ist bei kleinräumigen archäologischen Untersuchungen im Jahr 1967 nachgewiesen worden. Es wurde aber ein noch älteres Fundament gefunden. Die untersten Gräber waren von diesem älteren Fundament geschnitten. Das heißt, dass die Gräber vor dem Bau der ersten Steinkirche angelegt worden sind. Es könnte vorher eine Fachwerk-Kirche oder eine Kapelle gegeben haben. Die Entstehungszeit der allerersten Kirche ist unbekannt, die ältesten Gräber sind um 1150/60 entstanden, wie Radiokarbondatierungen zeigen.

Die spätere Geschichte der St. Petri-Kirche ist in groben Zügen bekannt. Die Kirche, der im Jahr 1285 der Roggen vermacht wurde, verfiel wohl Anfang des 14. Jahrhunderts. Damals wurde angeblich der Propst Nikolaus von Bernau vor der Berliner Marienkirche ermordet. Daraufhin wurden sowohl die Berliner Kirchen als auch die Cöllner Kirche mit dem päpstlichen Bann belegt. Viele Jahre durften keine Gottesdienste in diesen Kirchen abgehalten werden. Die Berliner und Cöllner mussten sich vom Bann freikaufen und die Gemeinden verarmten wegen der hohen Beträge, die hierfür zu zahlen waren.

Als der Bann im Jahre 1345 aufgehoben wurde, planten die Kirchenoberen in Cölln einen Kirchenneubau. Dieser war um 1379 im Gange. Aus einem Ablassbrief des Magdeburger Bischofs Petrus geht hervor, dass die Bauarbeiten an der Kirche unter akutem Geldmangel litten. Wann diese Kirche fertig gestellt wurde ist nicht bekannt, doch wurde im Jahr 1434 ein Taufstein aus Metall verfertigt. Die um 1379 begonnene Kirche hat 351 Jahre lang am Petriplatz gestanden, bis sie am 29. Mai 1730 dreimal vom Blitz getroffen wurde und abbrannte. Die Kirche war vor dem Brand mehrfach renoviert worden und es gab größere Probleme mit dem Kirchturm. Der wurde 1587 repariert, war aber aufgrund von Witterungseinflüssen im Jahr 1605 wieder baufällig. Schließlich wurde der Turm zurückgebaut. Der Turmstumpf wurde mit einem Dach geschlossen, welches von den Cöllner Bürgern als das Stadtbild störend empfunden.

Grundrisse der verschiedenen Petriplatz Kirchen

Grundrisse der verschiedenen Petri-Kirchen.

Zu Anfang des 18. Jahrhunderts wurde ein neuer Turm geplant. König Friedrich Wilhelm I. setzt sich für das Bauvorhaben ein. Der Turm der Petrikirche sollte mit 108,02 Metern das höchste Bauwerks Europas werden. Die Petri-Kirche wurde bis 1717 renoviert und bekam 1718 eine Kanzel aus weißem Marmor, geschaffen vom Hofbildhauer Johann Conrad Koch. 1726 wurde mit der Abtragung des alten Turms begonnen. 1727 begann der Turmneubau. Am 29. Mai 1730 schlug in den noch eingerüsteten Turm ein Blitz ein, kurz darauf ein zweiter in die Kuppel. Ein dritter Blitz entzündete das geteerte Seil eines Materialaufzugs im Turm-Inneren. Man versuchte vergeblich, das brennende Gerüst vom Turm abzuhacken. Der Küster rettete die silbernen Altargeräte aus der Sakristei. Auch mehrere Wohnhäuser im Umkreis der Kirche fingen Feuer und brannten vollständig ab. Die Löscharbeiten dauerten zwei Wochen. Am 2. Juni brach die Turmruine auseinander. In der Kirche blieben der metallene Taufstein, zwei Kassen und ein Metallgitter von der Kanzel erhalten sowie Bücher einer Bibliothek, die der Kirche 1650 gestiftet worden war.

Der König befahl, umgehend mit dem Wiederaufbau der Kirche zu beginnen. Am 1. Oktober 1730 wurde der Grundstein für die barocke Petri-Kirche gelegt. Bei den Arbeiten an den Fundamenten kam es zu Problemen mit dem Grundwasser. Am 27. Juli 1731 fand die Grundsteinlegung statt. Am 28. Juni 1733 wurde die Kirche eingeweiht. Der Turm war zu dieser Zeit noch nicht fertig und die nötigen Arbeiten wurden stark beschleunigt. Am Abend des 21. August 1734 stürzte der neue Turm ein und zerstörte das Kirchenschiff und zwei Häuser in der Scharrenstraße. Die Kirche wurde zwar repariert, aber es wurde kein Kirchturm mehr gebaut. In der Nacht vom 19. zum 20. September 1809 brach im Inneren der Kirche ein Feuer aus. Es gelang nicht mehr, den Brand unter Kontrolle zu bringen. Am nächsten Morgen waren die Kirche und die umliegenden Marktbuden ein Raub der Flammen geworden. Das Feuer war in der Vorhalle ausgebrochen, in der die Besitzer der Marktbuden einige Sachen gelagert hatten. Vermutlich hatte ein nicht ganz gelöschtes Kohlebecken den Brand verursacht.

Fundamente der alten Petrikirche nach den Grabungen

Fundamente der gesprengten St. Petri-Kirche im Dezember 2009, kurt vor dem Verfüllen.

Vor Überlegungen zum Wiederaufbau der Petri-Kirche bestanden Probleme mit dem Abtragen der hohen, barocken Kirchenruine. Letztlich erklärte sich ein Mauermeister Berger bereit, den Abriss zu wagen. Er trug die Kirchenruine innerhalb von zwei Jahren ab. Statt einer Kirche sollte nun ein Platz geschaffen werden. Diese Pläne scheiterten jedoch an den Berlinern. Freischärler nutzen den Platz für militärische Übungen und die Bürger benutzen ihn als Abkürzung. Die Kirchen-Verantwortlichen pflanzten Bäume darauf, um ihn zu verschönern. Dieser Zustand hielt etwa 30 Jahre an. Dann wurde über einen Neubau der Kirche an einer anderen Stelle nachgedacht, weil schon damals ein Mangel an öffentlichen Plätzen in der Stadt bestand. Außerdem befürchteten die Besitzer der umliegenden Häuser einen Wertverlust ihrer Häuser, wenn eine Kirche sie verschatten würde. Die Pläne zur Erbauung der Kirche anderswo scheiterten jedoch, daran das die Kirchgemeinde kein Geld für einen Grundstückskauf hatte. 

So wurde im Jahr 1846 am alten Platz mit dem Neubau der St. Petri-Kirche begonnen. Am 3. August 1847 erfolgte die Grundsteinlegung. In den Grundstein wurden die im früheren Grundstein gefundene Kupfertafel, 12 Münzen, eine Votivtafel vom 27. Juni 1731, ein Berliner Adress-Kalender des Jahrs 1847, ein Verwaltungsbericht der Stadt Berlin für die Jahre 1829-1840, ein Verzeichnis der an der Armenpflege beteiligten Personen, ein Buch zur Geschichte der Petrikirche von Dr. Valentin Schmidt, sowie Stücke der zu dieser Zeit kursierenden Gold- und Silbermünzen und die auf Porzellan gebrannten Pläne und Abbildungen der neuen Kirche und noch weitere Unterlagen eingemauert. Der Grundstein war bei der Auffindung im Jahr 2007 leider leer. Durch das Revolutionsjahr 1848 stand zwar weniger Geld für den Kirchenbau zur Verfügung, aber aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit konnten mehr Arbeiter eingestellt werden. Am 18. Oktober 1849 wurde das Richtfest für die Kirche gefeiert. Am 17. Mai 1852 war der Turm fertig und ein kurzer Abriss der Baugeschichte wurde in den Turmknopf eingelegt. Am 16. Oktober 1853 wurde die neue Kirche eingeweiht.

Die St. letzte Petri-Kirche ist in den letzten Tagen des II. Weltkriegs im Jahr 1945 durch Brand infolge von Beschuss beschädigt worden. Bis zum Jahr 1951 wurden die Kriegs-Schäden an den Fassaden repariert. In einem Brief von 1954 wehrt sich das Evangelische Konsistorium gegen den nunmehr geplanten Abriss der Kirchenruine.

Im Jahr 1959 waren weitere Sanierungsarbeiten an der Kirchenruine erforderlich, welche die Finanzmittel der Kirchengemeinde überstiegen. Der Abriss der Kirchenruine mit dem noch 98 Meter hohen Turm wurde beschlossen.

Von 1960 bis 1964 wurde die Ruine der St. Petri-Kirche abgerissen. Am 29.12.1962 und am 25.05.1964 wurden die verbliebenen Gebäudeteile gesprengt.

 Am 1.1.1965 wurde die Petri-Gemeinde mit der Luisenstädtischen Gemeinde vereint. Zum 1.1.2006 fusionierte die St. Petri-Luisenstadt-Gemeinde mit der St. Marien-Gemeinde zur St. Petri-St. Marien-Gemeinde Berlin.

 

 

Geschichte Berlin

Berlin im Mittelalter - Entstehung Berlin Cölln

 

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Petriplatz 

Der Petriplatz in Berlin-Mitte. Archäologisch-historische Studien.

Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin Band 55. Berlin 2021 

 

Die ersten Cöllner und Berliner. Methoden und Herausforderungen interdisziplinären Arbeitens 

Ausgrabung am Petriplatz - Petriplatzkirche - Karte des historischen Zentrums St. Petri Kirche, Ausgrabungen am Petriplatz

 

 Archäologie Berlin Brandenburg

Archäologie in Berlin und Brandenburg. 2015

„ Medieval space and populationInternationale Forscher auf der Suche nach den ersten Berlinern“ Seiten 102 -108

 

Mitteilungen der Berliner Gesellschaft

Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte Band 37 2016

Auf der Suche nach den ersten Berlinern auf dem einstigen St. Petri-Kirchhof und dem internationalen Forschungsprojekt “Medieval Space and Population”

 

Fünffachbestattung Petriplatz

Forensic International Genetics 2014 Vol.15

Genetic research at a fivefold children’s burial from medieval Berlin Seiten 90-97

 

ersten Berliner

Acta Praehistorica et Archaeologica 2015

Was wissen wir über die ersten Berliner? Seiten 15 - 23

 

Verschiedenes

 

Ausgflüge zur Geschichte Berlins Ausflüge im Spree-Havel-Gebiet

 

Die Forensische Genetik Berlin, gehört wie auch die Forensische Pathologie und Toxikologie, zum Institut der Rechtsmedizin Berlin. Die Aufgaben eines forensisch-genetischen Labors können sehr vielfältig sein. Die Grundlage bildet jedoch die Identifizierung von Personen anhand ihres genetischen Fingerabdruckes. Der genetische Fingerabdruck ist sozusagen das Handwerkszeug eines jeden genetischen Forensikers. Für die Erstellung eines solchen genetischen Fingerabdruckes nutzt man sich wiederholende Sequenzabschnitte aus nicht kodierenden Bereichen der DNS. Diese Sequenzabschnitte, werden als Short Tandem Repeats (STRs) bezeichnet. Personen unterscheiden sich in der Anzahl der Sequenz-Wiederholungen der STRs und lassen sich dadurch zweifelsfrei unterscheiden. Untersucht man mehrere solche STR Marker, erhält man für jede Person eine einzigartige Kombination, bestehend aus unterschiedlichen Anzahlen der Wiederholungssequenzen. Diese Kombinationen von Zahlen, welches die Genetiker als Allele bezeichnen, bilden den genetischen Fingerabdruck. Erst die Kombination einer Vielzahl von STR-Systemen erhöht die Aussagekraft bzw. ermöglicht eine eindeutige Identifizierung. Momentan werden in der Forensischen Genetik in Berlin 16 STR Marker standardisiert typisiert. Die Wahrscheinlichkeit einer Dopplung dieser 16 STR-Systeme beträgt 1 auf weit mehr als 1 Billion, das ist mehr als das Tausendfachen der Weltbevölkerung.  

Genetische Untersuchungen in der Archäologie

Genetische Untersuchungen von  Skelettfunden in einem archäologischen Kontext sind besonders hilfreich, da sie genaue Aussagen über das Geschlecht erlauben sowie konkrete Hinweise für eine bestehende Verwandtschaft, als auch die Herkunft der Personen liefern können. Die Analyseergebnisse des verbliebenen genetischen Erbguts sind sehr präzise und bietet dabei wenig Spielraum für eigene Interpretationen. Zum Beispiel kann ein Fund als männlichen identifiziert werden, wenn männliche bzw. Y-chromosomale Marker detektiert werden konnten.

Der kritischste Punkt der Analyse ist hierbei die DNS-Isolation selbst. Es wird deshalb eine DNS-Präparationsmethode mit hoher Sicherheit gesucht, um möglichst jedwede Form von Kontamination bei einem Minimum an technischem Aufwand zu verhindern. In der Abteilung der Forensischen Genetik unter der Leitung von PD Dr. Marion Nagy sind für diesen Zweck verschiedene Extraktionsverfahren entwickelt worden. Speziell für die Isolierung der DNS von historischen Funden mit langen Liegezeiten, wurden von Dr. Jessica Rothe verschiedene DNA-Extraktionsmethoden etabliert, die sich auf unterschiedliches Probenmaterial anwenden lassen.

Der Fokus bei den Untersuchungen der Skelette des Kirchhofs vom Petriplatz liegt zu einem auf der Aufschlüsselung der verwandtschaftlichen Verhältnisse der Individuen untereinander, insbesondere der Personen aus Mehrfachbestattungen und zum anderen in der Herkunftsbestimmung.

 

Erfahre hier mehr über genetische Analysen: 

Die archäologische Grabung in Berlin-Mitte am Petriplatz begann im März 2007. Hier befand sich im Mittelalter das historische Zentrum von Cölln. Cölln wuchs später mit der mittelalterlichen Stadt Berlin auf der anderen Spreeseite zusammen und wurde zu einer Keimzelle der heutigen Metropole Berlin. Das historische Zentrum von Cölln wurde spätestens seit dem 13. Jahrhundert von der St. Petri-Kirche dominiert.

Historisches Zentrum Cölln

Der einstige Standort der St. Petri-Kirche im Zentrum Cöllns ist seit den siebziger Jahren als Parkplatz genutzt worden. Bis zum Beginn der Ausgrabung am Petriplatz war das historische Zentrum von Cölln nicht mehr als solches zu erkennen. Erst die archäologische Grabung ermöglichte die Bergung des Petri-Kirchhofes und die damit verbundene Wiederentdeckung Cöllns. Nach der Bergung des Kirchhofes müssen nun zahlreiche Untersuchungen vorgenommen werden, um die offenen Fragen bezüglich der Entstehung Berlin/Cöllns zu klären bzw. um mehr über das Leben der ersten Berliner zu lernen. Erfahre hier zu mehr auf unseren Projektseiten zu den Ausgrabungen am Petriplatz.

Ausgrabungen am Petriplatz
Ausgrabungen am Petriplatz
Holzfässer aus abgebranntem Keller
Wie hießen die alten Berliner?

Ausgrabungen am Petriplatz

Die archäologische Grabung dauerte insgesamt drei Jahre und die Erforschung der dabei geborgenen 3.717 Skelette aus insgesamt 3.126 Gräbern dauert noch an. Im September 2015 wurden im Rahmen des internationalen Forschungsprojektes „Medieval space and population“ der Humboldt Universität erneut Ausgrabungen am Petriplatz durchgeführt. Dabei wurden 56 Gräber mit den Gebeinen von 68 Individuen geborgen.

Nach der archäologischen Grabung wurden ein Teil des freigelegten Kirchhofes, sowie der Standort der St. Petri-Kirche verfüllt. Die südlich an den Kirchof grenzenden Grundmauern der Cöllnischen Lateinschule aber blieben offen und wurden mit einem Schutzbau überdacht. Der Originalort soll ab 2018 zu einem archäologischen Besucherzentrum ausgebaut werden. Der angrenzende, neu zugeschnittene Petriplatz wird zu einem attraktiven Stadtplatz umgebaut. 

 Neubauten am Petriplatz

Auszug aus der Schautafel vom Petriplatz. Die Zeichnung zeigt die Lage des zukünftig geplanten Archäologischen Besucherzentrums und und des Hotels Capri by Frazer Hotel an der Stelle des ehemaligen Kaufhaus R. Hertzog. Das House of One ist noch nicht dargestellt.

Wiki Zitat: Das Gebäude des House of One wird nach Entwürfen des bekannten Berliner Architekturbüros Kuehn Malvezzi gebaut. Die Architekten haben sich im Rahmen eines weltweiten Architekturwettbewerbs unter zahlreichen Entwürfen durchgesetzt. Der schließlich ausgewählte Entwurf mit einer klaren Formensprache gruppiert die drei religiösen Räume im Inneren des Gebäudes um einen zentralen Raum herum, der als zentraler Raum der Begegnung gedacht ist. Jeder der drei Sakralräume soll jedoch die Besonderheiten der jeweiligen Religion widerspiegeln. Das Gebäude des House of One soll in unterschiedlichen Phasen gebaut werden. Bereits bei Erreichen einer Spendensumme von zehn Millionen Euro kann mit dem Bau begonnen werden.

Historisches Zentrum Berlin/Cölln 

Zu Anfang der archäologischen Grabung wurden die Bereiche mit den historisch jüngeren Bauten geöffnet. Dabei handelte es sich um jene Grundstücke, die nach dem Kirchenbrand 1730 neu bebaut worden waren. Diese Häuser mit ihren teils weitläufigen Kelleranlagen wurden im Krieg zerstört und nach Kriegsende einplaniert. Bei der Anlage dieser tiefen, modernen Gebäudekeller wurden die älteren Bodenschichten durchschlagen und somit zerstört. Zu dieser relativ modernen Bebauung gehörte u. a. ein großer, länglicher Bau des Kaufhaus-Komplexes R. Hertzog. Das Gebäude entstand 1906 an der Stelle des ehemaligen Rathauses von Cölln. Beim Bau des Kaufhausblocks sind vermutlich Teile der Cöllnischen Rathauskeller zerstört worden. Im Rahmen der jetzigen Umgestaltung des Petriplatzes ist die über den Kirchenstandort verlängerte Brüderstraße zurückgebaut worden. Von 1960 bis 1965 war die Ruine der letzten St. Petri-Kirche abgerissen worden und die Brüderstraße wurde bis zur Gertraudenstraße verlängert. In den Jahren 1964/65 wurden Teile der Kirchenruine gesprengt. Der ehemalige Pfarrer der St. Petri-Kirche, Gerhard Boß, hat die Sprengung der Ruine gefilmt.

Wie aus frühen archäologischen Grabungen bekannt war, befanden sich sehr viele Bestattungen im Erdreich. Diese Gräber gehören zum Petri-Kirchhof, der seit dem 12. Jahrhundert in Benutzung gewesen ist und im Frühjahr 1717 geschlossen wurde. Dieser Kirchhof ist für mehrere Jahrhunderte der zentrale Bestattungsplatz der mittelalterlichen Stadt Cölln gewesen. Hier wurden die ersten Bewohner der mittelalterlichen Spreesiedlung begraben, ihre Kinder, Kindeskinder und Urenkel. Der Kirchhof dürfte etwa 20 Generationen von Alt-Berlinern bzw. Alt-Cöllnern als letzte Ruhestätte gedient haben. Wer heutzutage im Nachmittagsstau auf der Gertraudenstraße unterwegs ist wird sich kaum vorstellen können, dass hier so viele Menschen begraben wurden.

Die nach Abschluss der archäologischen Ausgrabung am Petriplatz begonnenen anthropologischen, genetischen und geochemischen Untersuchungen dieses für die Berliner Stadtgeschichte so wichtigen Bestattungsplatzes, werden viele neue Erkenntnisse erbringen, so zum Beispiel:

  • zur mittelalterlichen Bevölkerungsstruktur
  • zu den Ernährungsgewohnheiten
  • zur Krankheitsbelastung
  • zum Stand der medizinischen Versorgung
  • zur Herkunft der ersten Berliner
  • zur Gründung der Doppelstadt Cölln/Berlin

Bis heute kann niemand genau sagen, wie viele Menschen im Mittelalter in Berlin und Cölln tatsächlich lebten, weil entsprechende Unterlagen fehlen. Durch die gute Erhaltung der Skelette auf dem Petri-Kirchhof und durch die vielen erhaltenen Grablegen werden wir diese Schätzungen präzisieren können.

Die Freilegungsarbeiten im Grabbereich wurden ausschließlich in Handarbeit ausgeführt, um die fragile Substanz der Grabstätten nicht zu beschädigen. Zum Grabungsteam gehört auch eine Spezialistin für menschliches Knochenmaterial (Anthropologin), die bereits während der Freilegung der Bestattungen und während der Bergung erste Analysen an den Skeletten vornahm. Nach dem Ende der Ausgrabungen am Petriplatz wurden 12 Tonnen Streuknochen, also Knochen, die keinem einzelnen Grab zugeordnet werden konnten, wieder bestattet. Die Evangelische Kirchengemeinde St. Petri - St. Marien und die Archäologen stehen in engem Kontakt zueinander, denn die archäologischen Untersuchungen zu den Ausgrabungen am Petriplatz rühren an den Ursprung dieser ältesten Kirchengemeinde Berlins. Bevor mit der Entnahme der Gräber begonnen wurde, hatte die Nachfolgegemeinde der St. Petri-Kirche zusammen mit dem Grabungsteam eine Andacht zum Gedenken an die Toten abgehalten. 

 

Der Memhardt-Plan, Bau- und Stadtplan für Berlin-Cölln, 1652

 

Wann genau die Geschichte Berlins begann bzw. wann die mittelalterlichen Siedlungen Berlin und Cölln entstanden und wer für ihre Gründung verantwortlich war, lässt sich mit Hilfe der bekannten historischen Quellen nicht aufklären. Der älteste namentlich bekannte „Cöllner“ ist Symeon, Pfarrer der Petrikirche im Jahr 1237. Er tritt als Zeuge in einer Urkunde auf, in der ein Ereignis vom 28. Oktober 1237 beschrieben wird. Die Urkunde handelt von der Beilegung eines Streites zwischen dem Bischof und den Markgrafen von Brandenburg

Eggehardus, Dei gratia episcopus, Rodolfus, presitus, Ernestus, scolasticus Merseburgensis, beurkunden den von ihnen im Auftrag Papst Gregors [IX.] vermittelten Vergleich zwischen dem Bischof [Gernot] von Brandenburg und den Markgrafen Johann [I.] und Otto [III.] im Streit um die Erhebung des Zehnten. Datum Mersborch, anno Domini 1238, II. kalendas Martii, indictione XI.

Der Vergleich ist geschlossen worden in Brandenburch, in  infirmaria majore, in die Beatorum Apostolorum Symonis et Jude, hoc est V. kalendas Novembris, anno ab incarnatione Domini 1237, presentibus viris fidelibus discretis, quorum nomina sunt hec: [...] Symeon plebanus de Colonia [...] Zitat aus Reqesten der Urkunden zur Geschichte von Berlin/Cölln im Mittelalter [1237 bis 1499), Berlin Forschungen der Historischen Kommissiion zu Berlin VII, Schriftreihe des Landesarchives Berlin Band 13.

Aus dieser Urkunde wird das offizielle Alter von Berlin abgeleitet, sehr wahrscheinlich ist die Stadt aber deutlich älter. Jüngere Untersuchungen von Holzfunden aus dem Cöllner Stadtgebiet ergaben Fälldaten von 1159, 1171, 1192 +/- 10 Jahre und 1198. Jedoch sind weder für Berlin noch für Cölln Gründungsurkunden erhalten. Beide Städte dürften etwa um 1230 Stadtrecht erhalten haben. Es ist nicht klar, ob eine der beiden Siedlungen älter sein könnte als die andere. Claudia M. Melisch hat Radiokarbondatierungen an Skeletten, die E. Reinbacher 1956 bis 58 in der ältesten Kirche Berlins, der Nikolaikirche, ausgegraben hat, veranlasst, Die Probenergebnisse deuten bislang daraufhindeuten, dass beide Siedlungen etwa zur gleichen Zeit entstanden sein könnten. Doch wissen wir nicht, ob wir bereits die ältesten Zeugnisse der Stadtgeschichte beprobt haben.

 

Wer waren die ersten Berliner?

Wer waren die ersten Berliner und Cöllner? Auch diese Frage ist weitgehend ungeklärt. Auch wer die Ortsgründungen initiierte, lässt sich mit Hilfe der historischen Quellen nicht erhellen. Einen ersten Versuch, sich dieser Frage archäologisch zu nähern, stellten die Ausgrabungen in der Berliner Nikolaikirche von 1956-1958 dar, die von E. Reinbacher geleitet wurden. Hier bei wurden 72 "vorstädtische" Gräber freigelegt.

Zusammenfassung der bisherigen Ausgrabungen in Berlin/Cölln zur Aufklärung der Geschichte Berlins in ihren Anfängen sowie zur Klärung der Frage nach der Herkunft der ersten Berliner:

  • 1956-1958 Ausgrabungen in der Nikolaikirche unter E. Reinbacher, 72 Gräber waren älter als die Feldsteinbasilika, 18 davon wurden von H. Grimm anthropologisch untersucht
  • 1960 Ausgrabung von B. Krüger und 1963 Ausgrabung von H. Hampel. Beide Maßnahmen erbrachten keine Hinweise auf eine slawische Vorgängersiedlung
  • 1967 drei Grabungsschnitte am Petriplatz, die ältesten Kirchenfundamente lagen über noch älteren Gräbern (Grabung von H. Seyer, keine Datierung)
  • 1980-1983 weitere Ausgrabungen an der Nikolaikirche unter Leitung von H. Seyer, 500 Gräber, davon 19 „vorstädtisch“, davon 15 anthropologisch von H. Hesse untersucht.
  • 1995/96 Ausgrabungen am ehemaligen Heilig-Geist-Hospital unter Leitung von H. Lange, 245 Skelette, davon 143 aus Einzel- und Mehrfachbestattungen und 111 Individuen aus 5 Massengräbern, Initialuntersuchung von H. Hesse

Leider sind bei den Altgrabungen immer nur sehr wenige Skelette anthropologisch untersucht worden, so dass bislang nur wenige Individual-Daten für Berlin/Cölln vorliegen. Eine naturwissenschaftlich gestützte, zeitliche Einordung der Gräber fehlt ebenfalls. Bis vor kurzem gab es noch keine etablierten genetischen Untersuchungsmethoden zur Feststellung der Herkunft der Individuen und zu ihrer genetischen Verwandtschaft. Aufgrund von Beobachtungen im keramischen Formenspektrum der fraglichen Zeit wurde u. a. vermutet, dass sich in Berlin/Brandenburg Einwanderer aus westlichen und südwestlichen Regionen niedergelassen haben könnten.

 

Die ersten Berliner also keine Slawen?

Bisherige Befunde weisen eher auf eine nicht slawische Ansiedlung hin, jedoch geht die anthropologische Forschung dieser Frage bislang aus den Weg. Mit den umfangreichen Ausgrabungen am Petriplatz unter Leitung von C. Melisch ergibt sich nun die Möglichkeit, den ersten Berliner genauer auf die Spur zu kommen. Dafür sollen Untersuchungen verschiedener wissenschaftlichen Disziplinen neue Indizien liefern. Geochemische Untersuchungen der Isotopenzusammensetzung der Zähne geben beispielsweise Informationen über einen Wechsel des Aufenthaltortes der untersuchten Personen. Auch genetische Untersuchungen können Auskunft über die Herkunft der Toten geben, da man die gefundenen "DNA Muster" bestimmten Populationen zuweisen kann. Mehr zu den Arbeitsgruppen und deren Verfahren erfährst Du in unseren Arbeitsgruppen Seiten. 

Quelle: Acta Praehistorica et Archaeologica 47, 2015, „Was wissen wir über die ersten Berliner?“, C. Melisch

 

 

 

 

 

 

 

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